Veröffentlicht: 19.08.2016
Bei der Krachkapelle TOTENMOND aus Backnang scheiden sich alle Geister. Die einen finden sie stumpf und langweilig, die anderen preisen sie ob ihrer Nonkonformität und des Seltsamen. Ich selbst gehöre zu letzteren und habe große Freude daran zu wissen, wie viele Leute diese Band wieder nicht verstehen werden, aufgrund dieses, nun ja, recht eigentümlichem Stück Musik. Damit will ich nicht behaupten, dass ICH die Band wirklich verstanden habe, ich glaube, das tun allein sie selbst, aber im Ansatz ist die Idee wohl bei mir angekommen.
Der beste Beweis, wie sehr TOTENMOND auf sämtliche musikalische Konventionen scheißen ist der Opener: Die Entheiligung des blasphemischen Josef und der ewige Regen - Der Titel allein ist schon so sperrig, dass mit der zugehörigen Musik den Ersten die frohe Erwartungshaltung vergällt ist. Über 6 Minuten Wasserplätschern und simples Riffing ohne Schlagzeug, dazu ein Donnergrollen im Hintergrund, Pazzers flüsternd vorgetragener Text und schon könnte man die Lust verlieren. Nein, sage ich, denn die Band ist sehr gut darin, Spannung aufzubauen und diese dann in 30 Sekunden zu entladen. Der dicke Mittelfinger in Richtung aller, die nach Schema F Songs schreiben.
Danach kommt Futter für alle, die die prägnanten Texte mögen und gleichzeitig eins auf die zwölf erwarten. Hölle mit Hof ist für Pazzers Verhältnisse fast schon plakativ, trotzdem gut, schnell und brachial. Blut auf Krank ist dann sehr typisch für die Band. Abwartend, lauernd und bloß nicht zu schnell, die Riffs im Hintergrund fast schon psychedelisch.
Kehrwoche - Sommerschnee auf Golgotha ist dann völlig nach meinem Geschmack geraten. Doomig mit jeder Menge Crust und endet dann doch mit Doublebass und Kopfschütteln.
Das Highlight des Albums ist eindeutig Tötet den König, auch wenn hier das Hauptriff sogar Melodie hat. Seltsam, ich weiß, aber der Song ist so treibend, den MUSS ich unbedingt live sehen. Wer die letzten Jahre mal in diesen Genuss kam, kennt unter Umständen auch das nächste Lied: Zu den Waffen hat man schon sehen und hören können. Viel D-Beat und der Beweis, dass die Jungs im Grunde ein paar olle Punks sind. Im positiven Sinne.
Fort von Gott hat leichte Anleihen an Musik von Bolt Thrower und ich glaube das ist Kompliment genug für eine Band, die vieles mit den Engländern gemeinsam hat. Giftköder klingt dezent anders, denn die Gitarre "röhrt" hier mehr, klingt ein wenig höher und nach etwas Hall, was aber nicht heißt, dass man als Death Metal Fan nicht auf seine Kosten käme.
Dass nun eine Coverversion von Deep Purples Into the Fire folgt, hätte man wohl nicht gedacht, aber so ist es. Und wer das Original kennt, kann feststellen, dass TOTENMOND den Spagat zwischen dem Klassiker auf "In Rock" und ihrem eigenen Stil beeindruckend gut hinbekommen. Me likes.
Abschließend das Outro Die Salbung ist quasi nur noch der Ausklang mit Orgel, Rückwärts-Text und markiert wohl das Ende. Definitiv des Albums, vermutlich auch der Band, je nachdem, wie man Pazzers Worte interpretiert.
Fazit: TOTENMOND wie man sie kennt. Gegen jede Regel, gegen Etabliertes und auf ihre Weise immer noch die Revoluzzer einer vergangen Zeit. Die Musik will nicht gefällig sein, sie soll abstoßen. Das gelingt gut und ich weiß jetzt schon, dass der gemeine Sabaton Fan mit dieser Scheibe nichts anzufangen weiß. Damit ist viel gewonnen und es sollte mehr davon geben. Andererseits haben TOTENMOND schon viel Gutes in dieser Richtung veröffentlicht und wenn das nun der Abschied ist, dann ein gelungener.
Bewertung 9 von 10 Punkten.
P.S.: TOTENMONDs Label Massacre Records hat das Album in voller Länge hochgeladen:
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