Freitag, 21. Oktober 2016

Aktuelle Alben: Wretch - Wretch (Doom Metal)


Veröffentlicht: 23.09.2016 (in Deutschland)

WRETCH, das ist das traurige Ergebnis des Ausstiegs und späteren Todes von Jason McCash bei The Gates of Slumber, seines Zeichen Basser bei der Band aus Indianapolis. Traurig im doppelten Sinne, denn TGoS gibt es ohne ihn nicht mehr, womit eine großartige Band zu Grabe getragen wurde und traurig, weil mich diese Nachfolgeband nicht annähernd so  sehr mitnimmt, wie gehofft. Man sagt ja, das Unglück der Auslöser großer Kreativität sein kann, aber hier hat Karl Simon, der alle Songs auf dem Album geschrieben hat, nicht aus den Vollen geschöpft. Dass er großartige Stücke schreiben kann ist allgemein bekannt, aber das Album klingt wie ein jammerndes Häufchen Elend, dass zusammengekauert in der Ecke sitzt. Uninspiriert ist Running out of days, das keine Varation der Stimme aufweist nur zwei Riffs hat und das dann alles ist. Ein wenig mehr Enthusiasmus hat er für Rest In Peace aufgebracht, das zumindest nach Verzweiflung und Leid klingt, wo die Stimme Berg- und Talfahrten macht, man Stadien der Trauer durchlebt und mitfühlen kann, was in dem Mann vorgehen mag. Aber dann wieder so eine Gurke wie das Instumentalstück Bloodfinger. Ich erwarte ja hier kein komplex durchdachtes Meisterwerk wie YYZ, aber etwas mehr Spirit hätte ich mir gewünscht.

In vielen Belangen muss man sagen, das die Musik nicht nach harter Arbeit klingt, sondern nach halbwegs guten Ideen, die man aber ohne weiter darüber nachzudenken, direkt umgesetzt hat. Icebound ufert aus und lässt einen auf das Ende warten, ist aber recht abwechslungsreich geschrieben. Grey Cast Mourning hat eine Stimmung die dem Namen gerecht wird, aber "Song" würde ich das Ding nicht nennen. Reduktion der Flamme auf den Funken der sie entzündet hat. Aber wen interessiert der Funke? Tja, und Drown ist dann die Resignation. Der Song klingt wie jemand der den Lebenswillen verloren hat und morgens im Pyjama durch den Flur schlurft, weil ja der Alltag trotzdem weitergehen muss. Dass das alles andere als interessant ist, dürfte klar sein.

Zwischendrin tummelt sich noch ein Judas Priest Cover, nämlich Winter von deren Debütalbum. Passt zwar von der Stimmung her zur Platte, an der Umsetzung gibt's da auch nichts zu meckern, aber was bei Priest schon kein aufregender Song war, lässt bei WRETCH auch keine Partystimmung aufkommen.

Fazit: Hier ist was gewaltig schief gelaufen. WRETCH klingt wie eine Jamsession, die jemand versucht als Album zu verkaufen. Womit ich nicht sagen will, dass der Sound schlecht ist, der geht absolut klar und macht Fans von klassischem Doom alle Freude, nein, was ich sagen will ist, dass hier nicht Songs geliefert werden, die nach Karl Simon auf der Höhe seiner Schaffensphase klingen. Wenn das nächste Album ein zweites "Conqueror" wird, sei alles vergeben, aber das hier ist einfach nur langweilig. Die Produktion und das Artwork holen noch mal einen Punkt raus, ansonsten wäre es noch weniger.

Bewertung: 4 von 10 Punkten

>Wretch auf Bandcamp<


Mittwoch, 12. Oktober 2016

Aktuelle Alben: Opeth - Sorceress (Prog-Rock)

Veröffentlicht: 30.9.2016



Nichts weckt einen eher aus einem  journalistischen Dornröschenschlaf als ein skrupelloser Dolchstoß in den Rücken. Mit ihrer dritten Daddyrock-Compilation SORCERESS bohren OPETH tiefer in jener alten Wunde, die HERITAGE damals in den Körpern eines beträchtlichen Teils ihrer Fanbase aufgerissen hat. Die Metamorphose einer Band, die sich vor allem durch ihr eigenwilliges Songwriting ausgezeichnet hat und in diesem Zug eine einzigartige Atmosphäre zwischen Melancholie und Mystik erzeugen konnte hin zu einer Progrock-Retorte, die sich eine Woche nach Release auf Platz 1 der deutschen Albumcharts wiederfindet, kam für mich einem langen schmerzvollen Trennungsprozess gleich. Schmerzvoll vor allem, weil ich mir sowohl HERITAGE als auch PALE COMMUNION über Monate hinweg schön gehört habe. Bei Sorceress möchte ich diesen Fehler vermeiden, auch wenn mich das Ohrwurmangebot dieser Platte schon nach wenigen durchläufen mürbe gemacht hat.

Der Verzicht auf Growls seit HERITAGE ging nicht nur mit einem entschärften Gitarrensound und einem jazz-lastigen Schlagzeug einher, sondern hatte neben dem Sound auch konkrete Auswirkungen auf das Songwriting. Die Songs wurden reduzierter und repetitiver und schufen so mehr Platz für den Gesang, der, zuvor oftmals durch Gitarrenamps gejagt und somit zurückhaltend in das Soundkorsett eingearbeitet, nun selbstbewusst und teilweise sogar soulig angerauht die Songs bestimmt. Songs wie „Sorceress“, „The Wilde Flowers“ und „Era“ stellen den Zenith dieser Entwicklung dar und sind bis auf den Titletrack aufgrund ihrer ätzenden Hooks auch kaum zu ertragen. Während „The Wild Flowers“ gegen Ende zumindest mit wenigen Sekunden musikalischer Orginalität aufwarten kann, ist letzerer ein ereignisarmes und klebriges Zeugnis eines gesunken Selbstanspruchs. „Sorceress“ hingegen trumpft mit einem ikonisch-primitiven Heavy-Riff auf und fährt diesen Kurs auch solide, wird jedoch leider an Anfang und Ende durch ziellose Fusion-Elemente begrenzt.

Auch wenn die Jazz-Elemente in SORCERESS prominenter sind als je zuvor, treten in den akkustischen Parts vieler Songs wieder charakteristische Opeth-Momente hervor. So ist „Will O The Wisp“ ein atmosphärischer Jethro Tull Song, der jedoch genausogut „Harvest“ auf der Blackwater Park folgen könnte. „Sorceress 2“ und „The Seventh Sojourn“ hingegen finden ihren Platz am ehesten auf DAMNATION. In ersterem wird zusätzlich der Einfluss des Kollegen und langjährigen Produzenten Steven Wilson sichtbar, denn „Sorceress 2“ erinnert in Atmosphäre und Instrumentalisierung auch an deren Kollaboration STORM CORROSION. Auch „Strange Brew“ bewegt sich zu Anfang in der Klanglandschaft von Wilsons Debut „Insurgentes“, wird jedoch anschließend durch einen chaotischen Fusion-Part wieder zerrissen, von einem Stakkato-Riff erneut auf Spur gebraucht und mit bluesiger Note aufgelößt. Es ist der markanteste und vielseitigste Song des Albums und eines der Albumhighlights, ganz im Gegensatz zu „A Fleeting Glance“, der belanglos vor sich tröpfelt.

Zwischen wenigen hellen Momenten und atmosphärisch gelungenen Akkustiksongs steckt aber leider eine Vielzahl von stereotypischen Progrock-Harmonien und ausgelutschten Retro-Riffs. Wenn man seine Inspiration ausschließlich aus den 70ern bezieht kann einem natürlich entgangen sein, dass Genre wie Retro- und Stoner-Rock alte Heavy Metal-Riffs zu Tode recycled haben.
Produktionstechnisch profitiert das Album jedoch erneut von der anachronistischen Ausrichtung der Band, die Instrumente klingen wunderschön natürlich und dynamisch, auch wenn der Sound insgesammt teilweise etwas dumpf-dröhnend daher kommt. Besonders hervorzuheben ist die Leistung des Guitar Heros Akesson, denn der spielt Soli erster Sahne mit dem cremigsten Lead-Sound aller Zeiten.

SORCERESS ist ein vielseitiges Album, das vor immenser Spielfreude strotzt. Das exzessive Solo-Battle zwischen Gitarre und Orgel in „Chrysalis“ ist wohl das beste Beispiel dafür. Spielerisch haben es Opeth mittlerweile zur Perfektion gebracht, alleine den Songs mangelt es oftmals an einer Aussage, die darüber hinausgeht. Das Problem ist doch folgendes: SORCERESS ist ein gutes Album, aber wenn man bedenkt, dass aus dieser Feder Alben wie z.B. Blackwater Park und Ghost Reveries stammen, ist jedes weitere gute Retroprog Album eines, das auch etwas anderes hätte werden können. SORCERESS macht ein für alle mal klar, dass das nicht mehr zu erwarten ist.

Samstag, 1. Oktober 2016

Aktuelle Alben: Sodom - Decision Day (Thrash Metal)



Veröffentlicht: 26.08.2016


Das Urgestein der deutschen Thrash Szene ist wieder in den Startlöchern. SODOM sind vielleicht die konstanteste Band hierzulande und haben sich in mittlerweile 35(!) Jahren Bandgeschichte nie vom Weg abbringen lassen. Der gemeine Musicus Metallicus schätzt das im allgemeinen zwar sehr, allerdings ist das noch lange kein Garant für herausragende Musik. Der Vorgänger von Decision Day, Epitome of Torture, war ja ziemlich überzeugend, aber auch kein Meilenstein wie z.B. M-16.

Der Opener In Retribution setzt den traurigen Trend des Jahres, belanglose Stücke als Opener zu nehmen, fort. Die Produktion stimmt, aber das Lied wird kein Live-Klassiker werden, dafür ist es zu uninspiriert. Auffallend ist auch, dass das Stimmvolumen von Tom Angelripper nachgelassen hat. Er keift verhältnismäßig hoch und röhrt nicht mehr wie früher.
Rolling Thunder macht einiges besser, wäre es nicht Thrash Metal mit ordentlich Tempo, könnten die Riffs auch für klassischen Hard Rock herhalten. Inklusive der gezupften, halbakkustischen Parts. Die Melodien im Titeltrack muntern auf, wenn man Slayer mag. Da zollt jemand einen kleinen Tribut an die Amis. Die Nummer geht klar.
Mit Track 4 kommt der erste richtige Brecher, der auch live einschlagen wird. Caligula hat den mächtigsten Refrain seit langem zu bieten. Man möchte die Faust ballen und laut im Chor "Caligula" raunen. Geil.
Who is God? drückt ordentlich aufs Gas, aber überzeugen tut das sonst nicht. Zu eintönig, was dabei rauskommt. Strange Lost World kann da schon mehr, das ist ein Lied zum mitwippen und Haare schütteln.
Was der abstruse Titel von Vaginal Born Evil soll, weiß ich nicht, aber gut wird das Lied dadurch nicht. Ein weiterer Song, bei dem das Gitarrensolo sauber gespielt ist, aber dem Song keinen Höhepunkt beschert.
An einem Punkt, wo ich fast schon ein (Vor-)Urteil über das Album gefällt habe, kommt dann auf einmal Belligerence. Tempowechsel, Geblaste und ein Onkel Tom, der den Refrain als Schrei der Verzweiflung rausbrüllt. Dazu ein Solo von Belag und eine tolle Songstruktur. Bisher mit Abstand der beste Song des Album.
Wieso muss danach wieder so ein Einheitsbrei wie Blood Lions kommen? Schade, da hätte man was reißen können. Sacred Warpath ist ein Jota besser, der Refrain sitzt, aber im Schnitt sticht auch die Nummer nicht hervor. Refused to die hat dann noch mal ein bisschen satanische Atmosphäre mit drin, das ist ganz nett. Auch einer der besseren Songs.

Fazit: Ein SODOM Album, was in 20 Jahren mit Sicherheit kein Klassiker sein wird. Zuviel absolut durchschnittliche Lieder und nur 2 wirkliche Höhepunkte. Der Gesang war schon mal druckvoller und die Soli sind irgendwie Meterware. Allerdings ist die Produktion durchaus gelungen (Extrapunkt!) und so kann das Album mit gutem Gewissen neben dem Rest der Diskographie eingereiht werden. Die nächste Scheibe werde ich trotzdem wieder blind kaufen. Fans halt...

Bewertung: 6 von 10 Punkten